Mit den von Bundes- und Landesregierung beschlossenen Lockerungen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Covid19-Virus (Corona) dürften wir ab dieser Woche wieder unseren Buchladen eröffnen. Wir haben uns jedoch bewusst dagegen entschieden und wollen euch hier darlegen warum:
Die Reproduktionszahl des Virus (also die Zahl die angibt, wie viele weitere Menschen ein*e Infizierte*r ansteckt) liegt derzeit bei knapp unter 1. Wenn durch die Lockerungen wieder mehr Menschen in der Öffentlichkeit unterwegs sein werden und sich in Geschäften und Schulen physisch näher kommen, besteht die Gefahr, dass die Reproduktionszahl wieder über 1 steigt – und sich das Virus somit exponentiell, also immer schneller ausbreitet. Damit das Virus eingedämmt werden kann, müsste sie jedoch auf deutlich unter 1 sinken. Abstand halten, von 1,5 bis 2 m, und Mundschutz tragen, kann zwar auch helfen die Verbreitung zu minimieren, ist aber kein Garant: Zum einen werden die meisten schonmal beim Einkaufen gemerkt haben, dass es nicht immer möglich ist, diesen Abstand einzuhalten und zum anderen ist auch umstritten, ob dieser Abstand wirklich ausreicht (https://www.merkur.de/welt/corona-abstand-forscher-zwei-meter-ansteckung-infektion-covid-19-schutz-zr-13633844.html).
Wir sind keine Virolog*innen oder Epidemolog*innen und können die Risiken deshalb nicht 100% beurteilen, doch wir sind relativ sicher, dass weiterhin Vorsicht angesagt ist. Virologen wie Christian Drosten von der Berliner Charité geben uns darin Recht: https://m.tagesspiegel.de/wissen/wir-muessen-extrem-vorsichtig-sein-drosten-und-helmholtz-forscher-warnen-vor-zweiter-covid-19-welle/25756090.html
Dass nun trotzdem Lockerungen beschlossen wurden, heißt also nicht, dass diese aus epidemologischen Standpunkten vernünftig wären. Sie sind vielmehr Wirtschaftsinteressen geschuldet: Aus der Wirtschaft ertönen schon seit einigen Wochen Rufe nach einem „Zurück zur Normalität“ (und sie kritisieren auch die derzeitigen Lockerungen dafür, dass sie noch zu wenig wären), schließlich machen Unternehmen durch die Einschränkungen Gewinneinbußen. Hier zeigt sich ein grundlegender Widerspruch zwischen Profitinteressen und Gesundheit. Die Unternehmen und Politiker*innen, die weitreichende Lockerungen fordern, wollen, dass die Wachstums- und Profitmaschinerie weiterläuft, auch wenn dadurch Menschen sterben. Wir stellen uns dagegen auf den Standpunkt des Lebens und sagen: Kapitalismus runterfahren!
Als Anarchist*innen ist es uns wichtig, bewusst, eigenverantwortlich und solidarisch zu handeln. Das bedeutet einerseits, dass wir die autoritären Maßnahmen (wie die gewaltsamen Verhinderungen von öffentlichen Protesten durch die Polizei) ablehnen, andererseits aber auch, dass wir nicht alle Spielräume ausnutzen, die rechtlich erlaubt sind. Nur weil die Regierungen uns jetzt erlauben, wieder zu öffnen, heißt es noch lange nicht, dass dies verantwortungsvoll wäre. Wir entscheiden selber, was wir tun. Und das heißt in diesem Fall: Aus Solidarität mit allen Menschen, v.a. mit Alten und Vorerkrankten, für die das Virus tödlich enden kann, bleiben wir geschlossen!
Wir können verstehen, dass viele von euch das Black Pigeon vermissen, nicht nur als Buchladen, sondern auch als Raum der Begegnung. Auch wir vermissen das. Aber wir bitten euch um Verständnis, dass wir eine Öffnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll finden und möchten euch anregen, auf andere Alternativen auszuweichen. Trefft euch mit euren Freund*innen und Genoss*innen online oder telefoniert miteinander.
Bücher und Lebensmittel können nach wie vor bei uns bestellt werden und wir liefern sie euch (in Dortmund und Bochum) per Fahrrad aus. Infos zu Lieferdienst und eine Liste mit allen vorrätigen Artikeln findet ihr hier.
Besonders leid tut es uns auch um das Food Sharing, über das Menschen aus der Nachbarschaft sonst mit geretteten Lebensmitteln versorgt werden. Wir bitten euch auf andere Fairteiler auszuweichen, hier findet ihr die derzeit noch geöffneten:
„Blaue Biene“ in Barop (am Surck 17, 24/7)
„Der Fette Jupp“ im Kreuzviertel (Ecke Neuer Graben/Redtenbacherstraße, meist jeden Tag 8-20 Uhr)
„Frau Lose“ (Rheinische Str. 24; Mo/Di/Do/Fr 10:30-19:30 Uhr, Sa 10:30-14:30 Uhr)
„Kostbar“ in Nette (Haberlandstr. 38, 24/7)
„Pinker Panther“ in Lanstrop (Am Burhag 14, Mo-Fr ca. 9-18 Uhr)
Des Weiteren gibt es in Dortmund an mehreren Orten „Gabenzäune“ mit Kleidung und Lebensmitteln für obdachlose Menschen. Gabenzäune gibt es in der Kesselstraße (neben dem Brückentreff), am Nordmarkt, am Dortmunder U sowie am Baukunstarchiv NRW. Eine Übersichtskarte findet ihr hier: http://umap.openstreetmap.fr/de/map/gabenzaune-dortmund_436148#15/51.5195/7.4642
Passt auf einander auf, seid solidarisch und seid trotz physischer Distanz füreinander da! Und lasst uns nach der Pandemie mit vereinter Kraft gegen dieses System kämpfen, in dem der Gesundheitssektor systematisch kaputt gespart wurde, in dem die viel beschworene Solidarität spätestens an nationalstaatlichen Grenzen aufhört und in dem vernünftige Maßnahmen zur Viruseindämmung eine Krise bedeuten – weil nämlich in ihm Wachstum und Kapitalverwertung Selbstzweck sind!